Académie de Saint-Luc

als Rivalin der Académie Royale de Peinture et de Sculpture

Zeitschrift für Kunstgeschichte 73. Band/2010, Heft 1, Seite 115-126

 

 

1 Robert van Voerst, Porträt Simon Vouet, nach einem verloren gegangenen Gemälde von Antonis van Dyck (um 1624), Kupferstich, um 1630
1 Robert van Voerst, Porträt Simon Vouet, nach einem verloren gegangenen Gemälde von Antonis van Dyck (um 1624), Kupferstich, um 1630

Leseprobe (hier ohne Fußnoten)

 

 

[…] Ein Jahr später kontert die Maîtrise – auf Initiative eines ihrer führenden Meister Simon Vouet (Abb. 1), einst Protégé Papst Urbans VIII. und Premier Peintre Ludwigs XIII. Er hatte sich durch seine Erfahrungen in Rom als prädestiniert für die Leitung der Akademie eingeschätzt, war jedoch übergangen worden. Angetrieben von Groll auf die jungen Kollegen – namentlich seine beiden Schwiegersöhne Jacques Sarrazin und Michel Corneille sowie seine drei ehemaligen Schüler Eustache LeSueur, Charles LeBrun und François Perrier – übt er im Frühjahr 1649 Vergeltung für seine verletzte Eitelkeit: mit der Eröffnung einer eigenen Kunstschule, die er nach dem Schutzpatron der Maler Académie de Saint-Luc benennt. Mit dem Ziel, die königliche Institution vernichtend zu schlagen, wirbt diese mit kostenfreiem Zeichenunterricht und beschäftigt dafür zwei Modelle (statt nur eines) und 24 Lehrer (anstelle von 12); dem geschicktesten Schüler winkt ein wertvolles, mit einem ziselierten Silbergriff versehenes Gardeschwert als prix d'honneur, von jedermann zu besichtigen im Gildenstammhaus, der maison des Cocquilles in der rue de la Tixanderie. Nicht nur der Name der Einrichtung, sondern auch die Amts­bezeichnungen zeigen, dass man sich eher an Zuccaros Accademia di San Luca als an die Pariser Rivalin anlehnt: Vouet, 1624 bis 1627 selbst Principe in Rom, lässt sich nun, zwei Jahrzehnte später, zum Prince – und nicht zum Chef – proklamieren, und: nicht Ancien sondern Professeur (in Rom Professore) lautet der Titel einer Lehrperson.

 

Ob nun Überdruss oder anderweitige Verpflichtungen oder vielleicht gesundheitliche Probleme den Leiter veranlassen, der Akademie bereits nach einer Woche den Rücken zu kehren, sei dahingestellt. Sicher ist, dass seine Nachfolger die schwierige Aufgabe der Unterrichtung mehr schlecht als recht ausüben und dass die Étudiants – auch dank des großen Engagements Louis Testelins und des wiederaufgenommenen cours de perspective – nach und nach an die Königliche Akademie zurückkehren. Innerhalb weniger Monate gelingt es ihr, der Rivalin die Führung wieder zu entreißen.

 

Statt jedoch eine vollständige Trennung herbeizuführen, so die sicherlich nicht unvoreingenommenen Aufzeichnungen Henri Testelins, habe dies das genaue Gegenteil bewirkt. Die Mehrheit der Académiciens sei den friedfertigen Einflüsterungen der Meister erlegen. Die Jurés hätten aber diese Gelegenheit missbraucht und geradezu absurde Vorschläge unterbreitet, weshalb etliche Konferenzen notwendig gewesen seien, um einen akzeptablen Einigungsvertrag zu erarbeiten. Am 4. August 1651 schreiten die neun Deputierten – Sébastien Bourdon, Charles Errard und Louis Testelin „für die Académie royale” sowie Augustin Quesnel, Nicolas Vion, Claude Vignon, Jean Bertrand, Charles Joltrain und Charles Poerson „für die Commu­nauté des maîtres” – zur Unterzeichnung (gegen­gezeichnet am selben Tag von den Jurés Michel Bourdin und Pierre Patel sowie am folgenden Tag von den Académiciens Charles Beau­brun, Eustache LeSueur, Henri Testelin, Jacques LeBicheur, Gérard Gosuin, Gilbert de Sève, Samuel Bernard, Thomas Pinagier, Matthieu de Plattemontagne, Michel Corneille, Juste d'Egmont, Gerard van Opstal, François Tortebat, Louis du Guernier, Simon Guillain und Gilles Guérin; „weitere Ratifizierung einer großen Zahl von Meistern am 6.”, und „mehrerer Meister am 31. August 1651”). Damit schließen sie die Transaktion der bereits zwei Monate zuvor, am 7. Juni 1651, „im Raum der Communauté” von 34 Meistern verabschiedeten und als erstes von einem gewissen „Biard” signierten zwölf articles pour la jonction ab. Durch die Bezeichnung als „sculpteur ordinaire du Roi, prince de l'Académie des maîtres peintres, 1651, demeurant derrière les Minimes” scheint mit Pierre Biard d. J. (1592 – 1661) Vouets Nachfolger als Haupt der Lukasakademie ausgemacht, was auch dadurch bestätigt wird, dass dieser die Vereinigung erst gutheißt, nachdem Charmois erklärt hat, er beabsichtige weder, sich als Chef der Akademie in die Angelegenheiten der Meister ein­zumischen, noch, sich deren Chef zu nennen; zu den Versamm­lungen der Corps unis taucht Biard aber nicht ein einziges Mal auf. Gänzlich verweigern einige Anciens ihr Einverständnis: LaHire und LeBrun, die bereits in den ersten gemeinsamen Sitzungen ausgewechselt werden, sowie Sarrazin und Henri Beaubrun, die einige Monate später zurück­treten; mit einer zweiten Berufung beabsichtigt man, die vor kurzem ersetzten Lehrkräfte an die Akademie zurück­zuholen – beide lassen aber noch auf sich warten. […]


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